Beschwerde gegen Tarifeinheitsgesetz zurückgewiesen

12.07.2022, medhochzwei
Politik & Wirtschaft

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat jetzt die Beschwerde des Marburger Bundes (MB) gegen das Tarifeinheitsgesetz (TEG) zurückgewiesen. Man habe damit die Chance ungenutzt gelassen, in der Causa TEG Rechtsfrieden herzustellen, hieß es von der Ärztegewerkschaft. Die Mehrheit der Richterinnen und Richter sieht in den Bestimmungen des Gesetzes keinen Verstoß gegen Artikel 11 (Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie aus dem Urteil hervorgeht. Der MB hatte Ende 2017 beim EGMR Beschwerde gegen das Gesetz in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil die im TEG vorgesehene Verdrängung des Tarifvertrages einer Minderheitsgewerkschaft aus Sicht des Verbands in unverhältnismäßiger Weise in eine Kerngewährleistung von Art. 11 Abs. 1 der Konvention eingreift.

Beim MB nahm man das Urteil des EGMR mit Enttäuschung zur Kenntnis, man sei aber nach wie vor davon überzeugt, dass das Tarifeinheitsgesetz darauf angelegt sei, gewerkschaftliche Grundrechte einzuschränken, hieß es in einer Mitteilung. Besonders bemerkenswert sei die Tatsache, dass zwei Richter des EGMR in einem abweichenden Votum den Beschwerdeführern Recht geben und explizit dem Urteilstenor widersprechen würden. In ihrem Sondervotum würden sie darauf hinweisen, dass die Pluralität der Gewerkschaften ein wesentliches Element jeder demokratischen Gesellschaft sei und dem Grundsatz der Demokratie entspreche, auf dem die Europäische Menschenrechtskonvention beruht.

Wenig hilfreich sei der Hinweis der Richtermehrheit des EGMR, dass tariffähige Gewerkschaften zwar ein Recht auf Verhandlung geltend machen könnten, nicht aber ein Recht auf einen Tarifvertrag, so der MB. Immerhin teile der Gerichtshof die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Streikrecht von Minderheitsgewerkschaften im Betrieb uneingeschränkt bleiben müsse.

Die Annahme des EGMR, durch das Tarifeinheitsgesetz könne „Frieden und Solidarität in einem Betrieb“ sichergestellt werden, halte der Realität nicht stand, so der Ärzteverband. Das Gegenteil sei der Fall: Der im Gesetz angelegte Kampf um Mehrheiten im Betrieb erzeuge bei Anwendung der sogenannten Kollisionsregel Unfrieden in den Belegschaften.

Der MB und Verdi haben darauf bereits im Dezember 2017 reagiert und vereinbart, durch eine in allen Kollisionsfällen wirksame tarifdispositive Abrede zu verhindern, dass der Tarifvertrag der jeweils anderen Gewerkschaft durch eine etwaige Mehrheitsfeststellung im Betrieb verdrängt werden kann. Seitdem hat der Marburger Bund mit allen großen Krankenhausträgern – ob öffentlich oder privat – entsprechende Tarifsicherungsklauseln vereinbart.

Angesichts der fortbestehenden Probleme, die das Tarifeinheitsgesetz für Mitglieder tariffähiger Gewerkschaften aufwerfe, und der damit verbundenen Konflikte in den Betrieben, bekräftigte der MB seine Forderung nach Abschaffung des Gesetzes.

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