Alles KI?

06.09.2022, Sven C. Preusker
Digital Health

Das Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) ist auch im Bereich der medizinischen Versorgung stark in Bewegung. Auf einige Projekte, die in letzter Zeit gestartet sind, geht dieser Beitrag ein. 

Der Verbund der Knappschaftskliniken am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum hat zum Beispiel jetzt das Zentrum für Künstliche Intelligenz, Medizininformatik und Datenwissenschaften (kurz: KI-Zentrum) eingerichtet. Ziel sei die Entwicklung von Algorithmen, mit denen man beispielsweise medizinische Verläufe, den Behandlungserfolg oder die Überlebensrate verlässlich vorhersagen könne, um damit Medizinern künftig eine Technik an die Hand zu geben, die sie bei ihren Therapieentscheidungen unterstütze, hieß es.

Das KI-Zentrum ist Teil der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, die bereits das „SepsisDataNet.NRW“ und „CovidDataNet.NRW“ ins Leben gerufen hat – vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Projekte, die anhand einer groß angelegten Datenerhebung Klassifikationsmodelle entwickeln, die eine am jeweiligen Immunstatus angepasste, individualisierte Therapie ermöglichen und so beispielsweise die Sterblichkeit reduzieren sollen. Das KI-Zentrum sei deutschlandweit die erste Abteilung dieser Art, die innerhalb einer universitären Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie angesiedelt sei, hieß es von den Initiatoren.

„Wir wollen Prozesse verbessern, die Patientensicherheit erhöhen und eine individualisierte Behandlung ermöglichen“, erklärte Dr. Hartmuth Nowak, Ärztlicher Leiter des KI-Zentrums. Die Grundvoraussetzungen dafür seien durch die weit fortgeschrittene Digitalisierung an den knappschaftlichen Krankenhäusern sowie am Knappschaftskrankenhaus Bochum bereits erfüllt – man wolle aber die Daten eben nicht nur speichern, sondern auch sinnvolle medizinische Anwendungen daraus ableiten. Im KI-Zentrum sollen sämtliche medizinische Behandlungsdaten wie Laborwerte, Blutdruck, Beatmung und Sauerstoffsättigung sowie Diagnosen und Therapien zusammengeführt, aufbereitet, in ein einheitliches Format gebracht und schließlich analysiert werden. Im nächsten Schritt könnten dann Algorithmen entwickelt werden, die die Vorhersage bestimmter medizinischer Ereignisse und damit eine auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene Therapie ermöglichen würden. 

„Das Vorhaben ist eine Herausforderung und wird vermutlich eine Lebensaufgabe“, so Nowak sicher – er freue sich sehr auf die intensive Zusammenarbeit von IT-Experten und Medizinern. Zunächst soll es im KI-Zentrum um konkrete Anwendungen im Bereich der Intensivmedizin gehen, im Anschluss sollen die Daten und Entscheidungsunterstützungssysteme auch auf die anderen medizinischen Fachrichtungen innerhalb des Verbundes der Knappschaftskliniken ausgerollt werden.

Lebensqualität von Menschen mit Diabetes verbessern

Die Universitätsmedizin Magdeburg ist Teil des neuen EU-Forschungsprojektes MELISSA (Mobile Artificial Intelligence Solution for Diabetes Adapted Care). Ziel des internationalen Konsortiums ist eine digitale Lösung für das Management von mit Insulin behandeltem Diabetes bereitzustellen, die eine personalisierte Behandlung und Pflege ermöglichen soll.

Zwölf Partner aus sieben Ländern arbeiten dabei an der Einführung von Lösungen für das Diabetesmanagement auf Grundlage von KI, koordiniert von der Universität Maastricht. Die Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg fungiert dabei als eines von vier Studienzentren, welche die klinische Studie zur Validierung der auf einer künstlichen Intelligenz basierenden mobilen Anwendung durchführen werden. Das Projekt wird durch das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon Europe“ der Europäischen Union finanziert und erhält in den nächsten vier Jahren 5,9 Millionen Euro.

Das Konsortium will für das Diabetesmanagement der Betroffenen in einem ersten Schritt eine digitale Plattform etablieren, die bestehende (vor-)klinisch validierte KI-gesteuerte Lösungen unter strengen ethischen Richtlinien integrieren soll. Diese soll es Menschen mit Diabetes ermöglichen, ihr Selbstmanagement und ihre Blutzuckerkontrolle zu verbessern und das Risiko kurz- und langfristiger diabetesbedingter Komplikationen zu minimieren. Sobald die Plattform etabliert sei, werde sie im Rahmen einer klinischen Studie validiert, an der mit Insulin behandelte Diabetikerinnen und Diabetiker aus Dänemark, Deutschland, Griechenland und den Niederlanden teilnehmen werden, so die Partner.

Nach entsprechender Planung und Organisation sollen am Studienzentrum in Magdeburg sowohl Patientinnen und Patienten mit Typ 1-Diabetes als auch mit Typ 2-Diabetes für die klinische Studie rekrutiert undbetreut werden. Die Patienten erhalten dann entweder die Behandlung mit der mobilen App oder die bisherige Therapie. Die KI nutze mehrere bereits auf dem Markt etablierte Smart-Technologien und vereine diese in einer mobilen Anwendung, sodass gemeinsam mit einer kontinuierlichen Glukoseüberwachung eine hoch individualisierte Therapie etabliert werden könne, hieß es. Die Patientinnen und Patienten sollen mit Hilfe der Technologie bei der Aufrechterhaltung eines normalen Blutzuckerspiegels besser unterstützt werden, um sowohl Über- als auch Unterzuckerungen zu vermeiden. Weitere Informationen zu der Studie finden sich unter https://www.melissa-diabetes.eu/.

Krebsregisterdaten sollen mit KI-Hilfe zusammengeführt werden

Das vom Krebsregister Rheinland-Pfalz geleitete Innovationsprojekt „Zusammenführen und Validieren von Krebsregisterdaten durch KI-Verfahren“ wiederum verfolgt das Ziel, durch den Einsatz von KI Prozesse zu automatisieren und Strukturen zwischen den verschiedenen Krebsregistern zu harmonisieren. Damit soll eine zeitnahe Zusammenführung von Krebsregisterdaten gefördert sowie eine schnelle und qualitätsgesicherte Bereitstellung der Daten für medizinische und wissenschaftliche Einrichtungen gewährleistet werden. Das Projekt wird vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und BWL der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, dem Deutschen Kinderkrebsregister sowie den Krebsregistern aus Niedersachsen, Hessen und Baden-Württemberg unterstützt. Finanziell wird das Projekt mit einer Summe von rund 780.000 Euro vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert. 

„Allein das Krebsregister-Rheinland-Pfalz erreichen täglich etwa 1.500 Meldungen von onkologisch tätigen Ärztinnen und Ärzten mit Informationen zur Diagnose, Therapie oder Verlaufsdaten von Krebserkrankungen, die im nächsten Schritt aufbereitet und analysiert werden“, so Philipp Kachel, Chief Information Officer des Krebsregisters Rheinland-Pfalz. „Von diesem Projekt versprechen wir uns die Entwicklung eines Verfahrens, das in allen Krebsregistern in Deutschland angewendet werden kann, um einen einheitlichen und interoperablen Datenraum zu schaffen.“

Im Jahr 2013 trat das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz in Kraft, mit dem alle deutschen Bundesländer zur Etablierung einer flächendeckenden klinischen Registrierung von Krebserkrankungen im Erwachsenenalter beauftragt wurden. Um Unterschiede bei der Erhebung der Daten zu vermeiden, wurde ein einheitlicher onkologischer Basisdatensatz festgelegt – trotz dieser standardisierten Grundlage führe aber die unterschiedliche Verarbeitung von Meldungen in den einzelnen Bundesländern zu Abweichungen in den Datensätzen, hieß es in einer Meldung. 

Fortbildungspunkte für Online-Kurse zu KI in der Medizin

Zwei Jahre nach dem Start des KI-Campus, einer Lernplattform für Künstliche Intelligenz mit kostenlosen Online-Kursen, Videos und Podcasts, werden Online-Kurse des KI-Campus für die medizinische Fortbildung jetzt offiziell anerkannt. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg und der KI-Campus kooperieren, um KI-Kompetenzen im medizinischen Bereich zu vermitteln. Mit zwei kostenlosen Online-Kursen auf dem KI-Campus (www.ki-campus.org) bietet die Landesärztekammer Baden-Württemberg einen Einstieg in Grundlagen und Anwendungen von KI in der Medizin.

Die gemeinsam von der Charité und dem KI-Campus entwickelten Kurse aus der Reihe „Dr. med. KI“ können nach freier Zeiteinteilung absolviert werden, Ärztinnen und Ärzte bekommen bundesweit für jeden Kurs zwölf Fortbildungspunkte über die Landesärztekammer Baden-Württemberg angerechnet. Für die Fortbildungen können sich Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland über die Website der Landesärztekammer Baden-Württemberg (www.aerztekammer-bw.de/fobi) anmelden.

„Nicht jede Ärztin oder jeder Arzt muss programmieren können. Aber sie sollten verstehen, wie KI-Anwendungen funktionieren. Dies wollen wir mit dem KI-Campus in starken Netzwerken und Kooperationen unterstützen und dabei die Potenziale der digitalen Bildung nutzen“, so Florian Rampelt, Geschäftsstellenleiter des KI-Campus beim Stifterverband. „Wir freuen uns sehr, mit der Landesärztekammer Baden-Württemberg einen hochkompetenten Partner gefunden zu haben, um gemeinsam neue Wege für die Fortbildung im medizinischen Bereich zu gehen.”

Als Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird der KI-Campus vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Entwickelt wird der KI-Campus seit 2019 vom Stifterverband, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), dem Hasso-Plattner-Institut (HPI), NEOCOSMO und dem mmb Institut gemeinsam mit zahlreichen Partnern.

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