„Rothgang-Studie“: Gesetzliche Umsetzung verunsichert Pflegepraxis

24.10.2023, medhochzwei
Pflege, Politik & Wirtschaft

Die Pflegekammer Nordrhein-Westfalen hat mit Blick auf die „Rothgang-Studie“ und das zu Anfang Juli neu eingeführte Personalbemessungsverfahren in der vollstationären Langzeitpflege eine Stellungnahme erarbeitet, die in der jüngsten Kammerversammlungssitzung einstimmig verabschiedet wurde. „Wir befürworten die erstmalige Durchführung einer wissenschaftlichen Studie zur Pflegepersonalbemessung in der vollstationären Langzeitpflege. In unseren Augen ist die Umsetzung durch den Gesetzgeber jedoch zu vorschnell und geht in vielen Teilen an der Realität vorbei. Das verunsichert die Pflegepraxis. Die Studienbedingungen lassen sich nicht ‚eins zu eins’ auf den Pflegealltag übertragen”, sagte Leah Dörr, die als Vorstandsmitglied das Ressort Berufsfeldentwicklung verantwortet.

Daher fordert die Pflegekammer NRW die Nacharbeitung gesetzlicher Begleitprozesse der Personalbemessung unter Berücksichtigung pflegefachlicher Expertise. Das schließe auch eine Neugestaltung der Pflegesätze mit ein, hieß es Pflegefachpersonen müssten bei Verhandlungs- und Entscheidungsprozessen der Pflegepersonalbemessung einbezogen werden. Bei der Umsetzung der gesetzlich fixierten Qualitätsniveaus sei ein ganzheitliches Pflegeverständnis von Nöten, da es jederzeit zu kurzfristigen Änderungen des Pflegegrads kommen könne. „Pflege ist nicht immer planbar. Das erleben wir tagtäglich. Pflege ist so flexibel wie die Bedarfe der Bewohner selbst“, betonte Dörr.

Auch spricht sich die Kammer deutlich für die übergangsweise Beibehaltung der gesetzlich fixierten Fachpersonalquoten von mindestens 50 Prozent aus, um den pflegerischen Versorgungsauftrag sicherstellen zu können. Dörr erläuterte: „Wir bezweifeln, dass feste Personalgrenzen jeglicher Art Pflegequalität auf Dauer sichern können. In der Übergangszeit sehen wir die Einhaltung einer Mindestgrenze jedoch als zwingend notwendig an. Wir unterstützen die vollständige Umsetzung der ‚Rothgang-Studie’, aber dafür bedarf es Zeit mit Übergangslösungen. Kompetenzorientierte Pflege ist elementar und sollte im pflegerischen Alltag auch durch den Personalmix wieder ermöglicht werden. Wenn es Einrichtungen gelingt, Pflegefachpersonen über das vorgegebene Maß hinaus langfristig zu halten, sollten diese hierfür ebenso nicht durch eine Höchstgrenze eingeschränkt werden.“

Anzeige
Anzeige