DBfK: Generalistik ist angekommen

19.12.2023, Sven C. Preusker
Pflege, Politik & Wirtschaft, Versorgung


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Soeben ist die „Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein-Westfalen 2023“ veröffentlicht worden, die unter anderem aktuelle Zahlen zur Ausbildungs- und Arbeitssituation in den Pflegeberufen präsentiert. Daraus wird deutlich, dass die Situation komplex ist – es aber einige deutliche Trends gibt, wie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest schreibt. 

Martin Dichter, Vorsitzender des DBfK Nordwest, hob hervor, dass beispielsweise zu erkennen sei, dass die generalistische Pflegeausbildung „nicht zu vermehrten Abbrüchen“ führe. „Außerdem zieht sie offenbar Auszubildende aus anderen Ländern an, da es sich nun um eine international anerkannte Pflegeberufsausbildung handelt. Fast alle der befragten Schulleitungen gaben an, dass die Bewerbungen aus dem Ausland stark zugenommen hätten. Wir sind also mit der Generalisierung absolut wettbewerbsfähig.“

Hier erstmal ein Blick auf die Zahlen in NRW: Die einjährige Pflegefachassistenzausbildung wird dort aktuell an 135 Standorten angeboten, die dreijährige Qualifizierung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau wird an 274 Standorten realisiert. Im Schuljahr 2019/2020 begannen parallel zum ersten Jahr der Pflegeausbildung gemäß Pflegeberufegesetz (im Jahr 2020 gesamt 15.837 Ausbildungseintritte) noch 3.035 Auszubildende eine Ausbildung in den auslaufenden Qualifizierungen (Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpflege oder Altenpflege). Somit haben in Summe im Berichtsjahr 2019/2020 deutlich mehr Auszubildende (18.872) als 2018/2019 (14.837) eine dreijährige Pflegeausbildung aufgenommen. Dabei ist anzumerken, dass sich die statistische Erfassung (Berichtszeiträume und stichtagsbezogene Meldungen) mit der Neukonzipierung der Pflegeausbildung geändert hat, weshalb die Vergleichbarkeit nicht vollständig gewährleistet ist. Im Folgejahr 2021 lag die Anzahl der Ausbildungseintritte in die Qualifizierung zur Pflegefachfrau/ zum Pflegefachmann (17.385) über der Anzahl an neu aufgenommenen Pflegefachausbildungen der Jahre 2001 bis 2019. Hingegen kann für das Ausbildungsjahr 2022 gegenüber 2021 ein Rückgang beobachtet werden, der jedoch mit 15.747 Ausbildungseintritten immer noch oberhalb des Niveaus vor der Einführung der generalistischen Pflegeausbildung lag. Zwischen 2021 und 2022 war ein Rückgang um 9,4 Prozent zu beobachten. Die Pflegeschulen beobachten laut der „Dienstleistung, Innovation, Pflegeforschung (DIP) GmbH“, die die Erhebung durchgeführt hat, insgesamt einen eher rückläufigen Trend bei Bewerbungen auf die Pflegeausbildung. 52 von 76 antwortenden Pflegeschulen verwiesen demnach auf eine sinkende Bewerberzahl und nur 16 von 77 Pflegeschulen beobachteten eine Zunahme an Bewerbungen. Nur jede vierte Pflegeschule (19 von 79 Pflegeschulen) hat alle Schulplätze im Jahr 2022 besetzt. 

Schaut man auf die Quote der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen, waren n in den bisherigen „alten“ Pflegeausbildungen im Zeitverlauf über 20 Jahre tendenziell steigende Abbruchquoten zu beobachten, so die Autorinnen und Autoren. Die zusammengefasste Quote der vorzeitigen Ausbildungslösungen in den „alten“ Pflegeberufsausbildungen lag 2019 bei 22,7 Prozent und ist, im Vergleich zu Vertragslösungsquoten in den Therapieberufen, eher im niedrigen bis mittleren Niveau (Ergotherapieschulen: 16,5 Prozent; Physiotherapieschulen: 24,8 Prozent; Logopädieschulen: 30,7 Prozent) zu verorten. In den durchgeführten qualitativen Interviews werde die Abbrecherquote u.a. mit Veränderungen des allgemeinen Schulbildungsniveaus und einer daraus resultierenden Überforderung in der theoretischen und praktischen Ausbildung in Verbindung gebracht, heißt es in der Erhebung. Höhere Ausbildungsabbruchquoten würden sich in Pflegeschulen dann zeigen, wenn aufgrund eines sinkenden Bewerberpotenziales Ausbildungsverträge mit Personen abgeschlossen würden, die in früheren Jahren nicht in die Ausbildung aufgenommen worden wären, zeigten die Gesprächsergebnisse. 

Neun von elf Schulleitungen sprachen aktiv an, dass im Zuge der Generalistik auch Bewerbungen für die Aufnahme einer Ausbildung aus dem Ausland stark zugenommen hätten. Die tatsächliche Eignung der in die Ausbildung aufgenommenen Auszubildenden mit Ausbildungsvisa aus Drittstaaten sei aber trotz der formalen Qualifikationen nicht immer gegeben. 

Abbruchquoten in der Pflegeausbildung werden in den Interviews überwiegend nicht mit der Einführung der Generalistik in Verbindung gebracht, sondern eher in den Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen gestellt. Kennzahlen zur generalistischen Pflegeausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann der Pflegeausbildungsstatistik NRW liegen erst für die Berichtsjahre 2020, 2021 und 2022 vor. Damit könnten, so die Autorinnen und Autoren, noch keine ausreichenden Daten in Berechnungsverfahren (bspw. mit dem sogenannten Schichtenmodell) zu Abbruchquoten einfließen. In der generalistischen Ausbildung seien aber zum aktuellen Zeitpunkt in NRW keine vermehrten vorzeitigen Ausbildungsvertragslösungen und Ausbildungsabbrüche in der Pflegeausbildung feststellbar. Die Quoten der vorzeitigen Lösungen im Berichtsjahr hätten sich in den drei Ausbildungsjahren der Generalistik bislang als eher homogen bei geringer Schwankungsbreite gezeigt (2020: 8,7 Prozent; 2021: 9,6 Prozent; 2022: 9,2 Prozent).

Einige der Problemlagen, die die Pflegeschulen mit gemeistert hätten, sind laut des Berichts. z.B. die Umstellung auf die generalistische Ausbildung inmitten der Pandemie mit Einschränkungen in Schulen sowie Praxisbetrieben und infektionsbedingten Ausfallzeiten bei allen Beteiligten. Parallel dazu hätten sie quasi eine „Ad-hoc-Digitalisierung“ und Konzepte zum Distanzlernen umsetzen müssen, bemerkte der DBfK Nordost. 

„Ein Augenmerk des Berichts liegt auch auf der Situation der Lehrenden“, so Dichter. „Fast 27 Prozent der hauptberuflichen Lehrpersonen in den Pflegeberufen sind 56 Jahre oder älter.“ Es gebe zwar positive Entwicklungen, da die Anzahl von Absolventinnen und Absolventen aus pädagogisch orientierten Bachelor- und Masterstudiengängen zwischen 2018 und 2021 kontinuierlich angestiegen sei. „Damit allein lassen sich die bevorstehenden Renteneintritte aber nicht kompensieren. Daher fordern wir von den politisch Verantwortlichen verstärkte Maßnahmen zur Bewilligung und Finanzierung zusätzlicher Studienplätze an den Hochschulen.“ Die vielbeschworene Attraktivitätssteigerung der Pflegeausbildung hänge schließlich entscheidend von ausreichend qualifizierten Pflegepädaoginnen und-pädagogen ab, sagte Dichter. Wenn es genug von ihnen gerbe und sie die Pflegeschülerinnen und -schüler gut begleiten, könnten Ausbildungsabbrüche wirkungsvoll verhindert werden.

Die Landesberichterstattung Gesundheitsberufe NRW 2023 und das Ergänzungsgutachten „Vorzeitige Ausbildungsvertragslösungen und Ausbildungsabbrüche in der Pflegeausbildung“ sind hier zu finden.

Auch Zahlen in Bayern positiv

Die Anzahl der Auszubildenden in Bayern, die die generalistische Pflegeausbildung begonnen haben, wird sich im Jahr 2023 im Vergleich zu 2022 nach aktuellen Daten des Pflegeausbildungsfonds Bayern (PAF Bayern) um voraussichtlich 3,4 Prozent erhöhen. Im Jahr 2023 erwartet die PAF für Bayern 6.375 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge (Stand 05.12.2023 – Hochrechnung zum 31.12.2023). Im Jahr 2022 lag die Zahl bei 6.162. Die Verteilung der weiblichen und männlichen Auszubildenden in der generalistischen Pflegeausbildung liegt im Freistaat weiterhin unverändert bei 75 Prozent weiblichen und 25 Prozent männlichen Auszubildenden und entspreche damit in etwa dem Bundesdurchschnitt, hieß es in einer Meldung des PAF Bayern. Im Beirat der Fonds sind die Träger der praktischen und schulischen generalistischen Pflegeausbildung sowie die Kranken- und Pflegekassen und der Freistaat Bayern vertreten. 

„Dass wir nun einen positiven Trend verzeichnen können, freut uns und lässt hoffen, dass die Ausbildungszahlen in der generalistischen Pflegeausbildung auch künftig weiter steigen können“, äußert sich der gesamte PAF-Beirat. Christoph Kahle, stellvertretender Geschäftsführer der PAF Bayern ergänzte: „Wir hoffen, dass sich in diesem Jahr auch bei den anderen Bundesländern ein positiver Trend zeigt“. Aus Sicht der PAF Bayern sei diese leichte Trendumkehr wichtig, weil sowohl in Bayern als auch bundesweit im letzten Jahr die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge gegenüber dem Vorjahr gesunken sei. Die bundesweiten Zahlen für das Jahr 2023 werden im Frühjahr 2024 vom Statistischen Bundesamt (Destatis) veröffentlicht.

Die Abbrecherquote im Bayern sank von ca. 29 Prozent (2020 bzw. 2021) auf ca. 25 Prozent (2022) und liegt damit laut PAF auf dem durchschnittlichen Niveau anderer Berufsausbildungen.

Die bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, Judith Gerlach (CSU), betonte: „Dieser positive Trend an ‚mehr‘ Ausbildungsbeginnern in der Pflege freut mich sehr! Dass die generalistische Pflegeausbildung ihre Früchte trägt, erkennt man auch daran, dass in Bayern in diesem Jahr erstmals 4.349 Absolventen ihre Prüfung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann erfolgreich abgeschlossen haben. Das sind insgesamt 88,4 Prozent erfolgreich absolvierte Prüfungen. Diese stabil gebliebene Bestehensquote ist ein großer Erfolg im ersten Durchlauf der Generalistik, deren Absolventen im Jahr 2020 im Lockdown der Coronapandemie und mit den Widrigkeiten des Online-Unterrichts starteten.“

Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, ging auf die Zukunftschancen für die neuen Auszubildenen ein: „In der generalistischen Pflegeausbildung arbeiten die Träger der praktischen und schulischen Ausbildung in Bayern erfolgreich zusammen, um für die Pflegefachpersonen von morgen eine hochwertige Ausbildung und umfassenden Qualifikation zu ermöglichen. Umso mehr freut es uns, dass sich 2023 mehr Menschen für diesen Ausbildungsberuf mit tollen Zukunftsaussichten und Vertiefungsmöglichkeiten in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege entschieden haben.“

Die Generalistische Pflegeausbildung wurde mit dem Pflegeberufereformgesetz von 2017 begründet. Sie führt die bis dahin getrennten Ausbildungen in den Berufen Gesundheits- und Krankenpflegerin, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin sowie Altenpflegerin zum Berufsbild Pflegefachfrau/-mann zusammen. Mit dem Pflegeberufegesetz hat der Gesetzgeber zusätzlich die Rahmenbedingungen für eine einheitliche, generalistische Pflegeausbildung in Deutschland geschaffen. 

Im medhochzwei Verlag ist zum Thema das „Praxishandbuch Generalistik“ erschienen, welches unter dem Motto „von der Praxis für die Praxis“ Buch beschreibt, wie Ausbildungsträger sich den aktuellen Herausforderungen stellen können und welche konkreten Maßnahmen in der Schulentwicklung, der praktischen Ausbildung und der Digitalisierung notwendig sind, um die Reform mit all ihren Herausforderungen und zahlreichen Chancen erfolgreich zu meistern.

 

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 24-2023. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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