Umfrage: viele KHZG-Maßnahmen können nicht umgesetzt werden

05.06.2024, Sven C. Preusker
Digital Health, Krankenhaus, Politik & Wirtschaft


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Momentan wird in der Gesundheitsbranche und der Gesundheitspolitik vor allem über eins diskutiert: die „große Krankenhausreform“, auf den Weg gebracht mit dem Krankenhaustransparenzgesetz und dem bisher nur in Form eines Entwurfs vom Bundeskabinett beschlossenen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Angesichts dieser Fokussierung warnt der Hartmannbund mit Blick auf die Komplexität der Herausforderungen im Bereich der Klinik-Strukturen davor, andere wichtige Baustellen aus den Augen zu verlieren. So würden Maßnahmen aus dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) unmittelbar vor der geplanten Evaluierung des Umsetzungsgrades stehen. Der Verband erinnert daran, dass Impulse zur Digitalisierung deutscher Kliniken Ziel des Gesetzes waren. Die entsprechenden Defizite der allermeisten deutschen Krankenhäuser, die damit einhergehenden Probleme in der aktuellen Versorgung sowie die zukünftigen Herausforderungen seien weitgehend bekannt. Aber schon jetzt zeichne sich ab, dass die Krankenhäuser aus vielfältigen Gründen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien und die im Gesetz geforderten Maßnahmen aktuell nicht umgesetzt werden können. Das zeichnet sich auch in den Ergebnissen einer Blitz-Umfrage des Verbands ab, die jetzt unter Klinikärztinnen und -ärzten durchgeführt wurde.

So schildert eine Mehrzahl der über 300 Befragten Schwierigkeiten bei der Implementierung der Digitalisierungsvorgaben. 56 Prozent sagen, dass es bereits bei der Beschaffung und Vergabe von notwendigen Komponenten zu Verzögerungen gekommen sei. 58 Prozent gaben hausinternen Personalmangel an und mehr als ein Viertel der Befragten berichtet von Lieferschwierigkeiten bzw. ausgelasteten Kapazitäten der Industrie.

„Auch wenn der Wille da ist und selbst wenn das Geld vorhanden wäre, sind die Umsetzungskapazitäten begrenzt. Die Förderbescheide benötigen Zeit, die entsprechenden Unternehmen sind ausgelastet und die Kliniken müssen auf die Umsetzung warten“, so Dr. Moritz Völker, Vorsitzender der Jungen Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund. Auch Dr. Galina Fischer, Vorsitzende des Arbeitskreises Stationäre Versorgung im Hartmannbund, warnte vor den mit der aktuellen Situation einhergehenden Problemen: „In solchen Situationen, in denen man nehmen muss, was man bekommen kann, droht der unbedingt notwendige Fokus auf Usability und Mehrwert verloren zu gehen, nur um die Anforderungen fristgerecht irgendwie zu erfüllen – das kann ein Hemmschuh für die Zukunft sein, weil am Ende undurchdacht digitalisiert wird und die Prozesse kompliziert und insuffizient bleiben könnten.“

Software erfüllt Nutzer-Erwartungen fast nie

Und laut der Umfrageergebnisse ist das schon jetzt der Fall: so berichten über 80 Prozent der Befragten davon, dass die aktuell genutzte Software im Krankenhaus die Erwartungen nicht erfüllt. Gleichzeitig geben 50 Prozent an, nicht einmal über ausreichend PCs an den Arbeitsplätzen zu verfügen und mehr als 60 Prozent der Befragten empfinden, das aktuell eingesetzte Krankenhausinformationssystem (KIS) als nicht benutzerfreundlich. Dabei zeigt sich bei den Ärztinnen und Ärzten durchaus Offenheit für neue Technologien. Rund vier von fünf sehen in digitalen Diensten einen unmittelbaren Nutzen für die Patientenversorgung. Trotz der bisherigen Erfahrungen sehen sogar mehr als 70 Prozent von ihnen eine entlastende Funktion für die alltäglichen Arbeitsabläufe. All das seien Hinweise auf die bisher unkoordinierte und oftmals dysfunktionale Umsetzung der Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern, so die Autorinnen und Autoren. „Digitalisierung allein ist noch kein Mehrwert. Sie muss akribisch vorbereitet, gründlich durchdacht und am Ende auch gut gemacht sein, um die komplexen Strukturen der Krankenhausversorgung abbilden und vereinfachen zu können“, sagt Völker.

„Das aktuelle Vorgehen inkl. der drohenden Abschläge bei Nichtumsetzung des KHZG könnte spürbare Folgen für die Kliniklandschaft haben, da voraussichtlich nur eine Minderheit der Krankenhäuser die Vorgaben voll erfüllen wird“, sind sich die beiden Arbeitskreisvorsitzenden einig. Fischer: „Selbst, wenn es gelingen sollte, besteht die Gefahr, dass es am Ende wieder Datensilos werden, die der Interoperabilität erneut nur begrenzt zur Verfügung stehen und auch patientenunfreundlich sind.“

Ein Blick in die Umfrageergebnisse zeigt die Probleme: demnach nutzen aktuell nur 13 Prozent der Befragten ein Patientenportal, lediglich weitere sechs Prozent sagen, dieses sei in der Umsetzung. Im KHZG ist ein solches Portal aber eine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der Vorgaben – bis 1. Januar 2025. Völker: „Wie die Politik mit dieser Realität umgehen will, sollte dringend geklärt werden, auch um den Kliniken Planungssicherheit zu geben.“

Abschläge drohen ab 2026

Laut der im KHZG festgeschriebenen Regelungen müssen bis Anfang 2025 ein Patientenportal, ein System zur digitalen Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen, ein klinisches Entscheidungsunterstützungssystem, ein System für digitales Medikationsmanagement und die digitale Leistungsanforderung zur Nutzung bereitgestellt sein. Ansonsten kann ein Abschlag von zwei Prozent über alle DRG-Erlöse erfolgen. Dieser wird erstmals zum 31.12.2025 ermittelt und im jeweiligen Folgejahr budgetwirksam auf die Fälle des Krankenhausstandortes angewendet. In den Jahren 2025 und 2026 reicht es, wenn diese digitalen Dienste nachweislich beauftragt wurden oder sich in Umsetzung befinden. Ab dem Erhebungszeitpunkt 31.12.2027 wird die Nutzung dann sukzessive stärker berücksichtigt und die Dienste müssen vollständig umgesetzt sein, um Abschläge vermeiden zu können. Um sanktionsfrei zu bleiben, müssen Krankenhäuser zum 31.12.2027 nachweisen, dass Pflichtprojekte zu mindestens 60 Prozent genutzt werden. 2028 liegt die Nutzungsquote bei 70 Prozent, und 2029 bis 2031 müssen mindestens 80 Prozent Nutzung nachgewiesen werden, um Sanktionen zu vermeiden. Wie das im Zusammenspiel mit dem im KHVVG vorgesehenen Vorhaltebudget aussehen wird, ist noch unklar – hier ist erst nach der Verabschiedung des Reformgesetzes mit Klarheit zu rechnen.

Weiteres Dilemma aus Sicht von Fischer und Völker: Niemand könne bisher realistisch die Auswirkungen der parallel geplanten Krankenhausreform auf die Versorgungslandschaft absehen. Voraussichtlich werde ein substanzieller Anteil der Krankenhäuser nicht mehr in der Form an der Versorgung teilnehmen, wie das heute der Fall ist. Auch in diesen Häusern werde aber Geld in Digitalisierung gesteckt und somit begrenzte Ressourcen, die an anderer Stelle dringend benötigt würden, möglicherweise unnötig verbraucht. „Was wir beobachten, sind zwei parallel ablaufende, aber unkoordinierte Vorgänge. Das darf die Politik nicht einfach laufen lassen“, so die beiden Arbeitskreisvorsitzenden abschließend.

Unter https://www.hartmannbund.de/wp-content/uploads/2024/05/2024-05-24_Umfrage_Digitalisierung_im_Krankenhaus_ausgewaehlte_Ergebnisse.pdf ist eine Übersicht ausgewählter Ergebnisse der Umfrage zu finden.

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 10-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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