Scheitern der Pflegekammer Baden-Württemberg: viel Enttäuschung

18.06.2024, Sven C. Preusker
Politik & Wirtschaft, Pflege

Die Bekanntgabe des Nichterreichens des Quorums zur Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg hat bei verschiedenen Verbänden und Institutionen in der Pflege Enttäuschung hervorgerufen. Die Nachricht, dass das 60-Prozent-Quorum nicht erreicht wurde, erschüttere die Profession Pflege – nicht nur in Baden-Württemberg, hieß es vom Landespflegerat (LPR) Baden-Württemberg. „Es hat eindeutig am politischen Willen gefehlt, eine Pflegekammer in Baden-Württemberg zu errichten“, so Susanne Scheck, Vorsitzende des LPR Baden-Württemberg.

Scheck weiter: „Es ist kein Geheimnis, dass ich schon nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes Ende 2022 die Regelung zum 60-Prozent-Quorum für nicht zielführend gesehen habe. Für eine Legitimierung hätten – wie überall auf der Welt – 50 Prozent plus 1 gereicht. Das Ministerium hat dem Willen der Opposition nachgegeben und das Quorum auf 60 Prozent festgelegt“, wiederholte die LPR-Vorsitzende ihr Statement aus dem vergangenen Jahr. Sie bezeichnete den 10. Juni als schwarzen Tag für die Pflegeprofession in Baden-Württemberg, aber auch in ganz Deutschland.

Scheck fordert von Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne), der Regierung und den Oppositionsparteien nun Taten. „Der immer wieder beteuerte Wille der Politik, die Pflege zu stärken, bedeutet in einem ersten Schritt, die Mitwirkung der Profession in der Politik schriftlich zu verbriefen – und über die Legislaturlaufzeiten hinaus zu verstetigen. Anders als die Pflegekammer ist der LPR nämlich kein Selbstverwaltungsorgan, das eine staatliche Aufgabe erfüllen muss. Eine Einbindung der Pflegenden darf daher nicht an eine Legislaturperiode und einen bestimmten Minister gebunden sein“, appellierte sie heute an alle Politikerinnen und Politiker. 

Auch Peter Koch, Vorsitzender des Pflegebündnisses Mittelbaden, brachte seine Enttäuschung zum Ausdruck. Es habe jedoch bereits mehrfach im Vorfeld Anzeichen dafür gegeben, dass die Politik – entgegen ihren Beteuerungen – keine Pflegekammer in Baden-Württemberg gewollt habe, sagte er. Die Entscheidung für das geforderte 60-Prozent-Quorum sei Beleg für den fehlenden politischen Willen aller Parteien. 

Das Pflegebündnis Mittelbaden fordert nun die Regierung, die Opposition und auch Kammergegner wie Verdi und die Arbeitgeber auf, jetzt tragfähige Konzepte für die drängenden Probleme zu liefern. „Darauf warten wir schon seit Jahrzehnten. Wir sind gespannt, welche konstruktiven Vorschläge nun kommen“, so Koch an die Kammergegner. Man erwarte von der Politik jetzt ein klares Signal, Verantwortung für die Gesundheitsversorgung zu übernehmen.

Der Pflegerat Nordrhein-Westfalen wandte sich in einem offenen Brief an Lucha. In NRW, wie wohl in allen Bundesländern, sei das gesamte Verfahren in Baden-Württemberg seitens der Pflegeprofession beobachtend begleitet worden. Viele öffentlich publizierte Aspekte des gewählten Vorgehens seien aus Sicht des Pflegerats NRW intransparent und nicht nachzuvollziehen. Die Fragen beziehen sich unter anderem auf das „ungeeignete Verfahren“ und das demokratisch fragwürdige Erfordernis eines 60-Protzent-Quorums, auf den knappen Zeitrahmen, die niedrigen zur Verfügung gestellten Finanzmittel und den abweichenden Ansatz des Ministeriums bei der Auszählung. Abschließend fragt der Pflegerat NRW, wie – sollte es definitiv keine Pflegekammer in Baden-Württemberg geben –die konstruktive Beteiligung von Pflegenden hinsichtlich deren beruflicher Belange gesichert werden soll.

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