Dezentrales KI-Training soll Datensicherheit erhöhen

02.07.2024, Sven C. Preusker
Digital Health, Wissenschaft & Forschung

Das Training für Modelle mit Künstlicher Intelligenz (KI) erfordert häufig die Nutzung und Auswertung großer Datenmengen. Dabei den Datenschutz zu gewährleisten, ist nicht immer einfach, aber essenziell – gerade im Bereich der medizinischen Forschung und Behandlung. Und dort liegen große Hoffnungen auf dem Begriff „Big Data“ – die gleiche Therapie funktioniert nicht bei jedem Individuum gleich gut, jeder Mensch ist verschieden, hat einen individuellen Krankheitsverlauf und spricht möglicherweise unterschiedlich gut auf bestimmte Wirkstoffe an, mit mehr oder weniger Nebenwirkungen. Die Analyse großer Mengen an Daten von Patienten könnte neue Erkenntnisse bringen, wer von welcher Therapie am meisten profitiert. 

Eine der großen Hürden dabei sind die oft sehr heterogenen Daten: Krankenhäuser haben mitunter ihre eigenen Prozesse, um Proben zu nehmen und zu analysieren. Auch werden nicht immer die gleichen Messungen vorgenommen, was die Daten schwer vergleichbar macht.

Um ausreichende Datenmengen zusammenzubekommen, mit denen sich eine KI trainieren ließe, müssten Patientendaten oft über Grenzen hinweg zusammengebracht werden, was häufig Bedenken mit Blick auf den Datenschutz hervorruft.

Dezentrales KI-Training als Lösung?

Das Forschungskonsortium Clinnova, in dem Forschende aus der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Luxemburg zusammenarbeiten, um mit Hilfe Künstlicher Intelligenz die Versorgung von Menschen mit Autoimmunerkrankungen zu verbessern, will diese Hürden überwinden und das Potenzial von KI für die Präzisionsmedizin erschließen. Dafür verfolgt das internationale Projekt ein Konzept, das Datenqualität und Datenschutz sicherstellen soll: Zum einen etablieren die beteiligten Institutionen gemeinsame Prozesse, um während der kommenden Jahre eine Reihe klar definierter Daten zu sammeln. Dazu zählen klinische Daten, Bioproben wie etwa Blut und Urin, Messungen mit digitalen Sensoren sowie medizinische Bilddaten. Die Forschenden rekrutieren hierfür Patienten, um mehrere Kohorten aufzubauen und diese über die nächsten Jahre zu begleiten. 

Zum anderen entwickeln sie die digitale Infrastruktur für „Federated Learning“ – ein dezentrales Training für KI. Das Prinzip dahinter: Die Daten aus verschiedenen Forschungseinrichtungen fließen nicht in eine große Datenbank ein, um darauf die KI zu trainieren. Stattdessen werden Teile des Algorithmus auf die jeweiligen Daten der einzelnen Institutionen angewandt. Die Daten bleiben dezentral und die KI wird anhand der gesammelten statistischen Parameter der Daten trainiert.

Der Fokus der Forscher liegt auf Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen. Ziel ist es, für Patienten maßgeschneiderte Therapien zu ermöglichen.

Insgesamt erfordern KI-gesteuerte Lösungen für das Gesundheitswesen sowohl Investitionen in die Infrastruktur als auch die Koordination zwischen klinischen Einrichtungen. „Wir stellen uns vor, dass in einem solchen datengestützten Umfeld die Umsetzung und Anwendung der biomedizinischen Forschung auf Patienten und deren unerfüllte Bedürfnisse zu einem nahtlosen Routineprozess wird“, sagt Dr. Jasmin Schulz, Hauptkoordinatorin von Clinnova am Luxembourg Institute of Health (LIH). Die Projektbeteiligten sind außerdem der Ansicht, dass translationale Forschungsinitiativen, die sich auf Patienten konzentrieren, sich zu einer wichtigen Antriebskraft für die Grundlagenforschung entwickeln werden, wodurch sich die Zahl der therapeutischen Möglichkeiten für Patienten in Zukunft erhöhen wird.

Personalisierte Therapielösungen sollen gefunden werden

Unlängst hat der Kanton Basel-Stadt eine Finanzierung in Höhe von vier Millionen Franken in den Jahren 2024-2026 für das Projekt zur Verfügung gestellt. „Jede beteiligte Institution muss ihre eigene Finanzierung stellen“, so Prof. Dr. Cristina Granziera von der Universität Basel, die die Verantwortung für das Clinnova Projekt in Basel hat und den Bereich der Multiple Sklerose-Forschung innerhalb von Clinnova leitet. „Nur dank dieser Unterstützung durch den Kanton können wir uns an diesem Konsortium beteiligen, von dem sowohl unsere Patientinnen und Patienten als auch die Universität und das Universitätsspital Basel noch lange profitieren werden.“ Granziera vertritt auch die Schweiz und Basel im internationalen Führungskonsortium von Clinnova.

Das Potenzial einer solchen digitalen Infrastruktur für personalisierte Medizin sei gewaltig, ist Dr. Bram Stieltjes, Leiter des Forschungsnetzwerks „Personalized Health Basel“ überzeugt. Im Rahmen von „Clinnova-MS“ beispielsweise sollen Algorithmen trainiert werden, um personalisierte Therapielösungen für Patienten zu generieren. MS gilt als „Krankheit mit tausend Gesichtern“, weil sie individuell sehr unterschiedliche Verläufe und Merkmale aufweisen kann.

„Die Daten, die wir mit unserer MS-Kohorte sammeln werden, und die KI-gestützte Analyse derselben könnten beispielsweise Merkmale aufzeigen, welche mit früher MS und Übergangsphasen zu progressiver MS verbunden sind“, so Granziera. Diese und weitere Erkenntnisse aus dem Projekt sollen helfen, Patienten künftig noch besser zu begleiten, indem Fachleute auf dieser Basis die bestmöglichen Therapieoptionen sowie den besten Zeitpunkt für die Therapie wählen können.

„Dieses Projekt wird für den Gesundheitsbereich international einen wegweisenden Charakter haben“, betonte Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel. „Es wird uns ermöglichen, digitale Gesundheitsdaten von großen, internationalen Patientenkohorten mittels KI in der Forschung zu nutzen und so einen erheblichen Mehrwert für die universitäre Forschung, die Industrie und die Gesellschaft zu schaffen.“ Mehr zur Clinnova-MS-Studie hier.

Dieser Beitrag stammt aus dem medhochzwei Newsletter 12-2024. Abonnieren Sie hier kostenlos, um keine News aus der Branche mehr zu verpassen!

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