Beitragsreihe: „Innovating Healthcare“ – Teil 3 Gute Versorgungslösungen braucht das Land…

10.10.2024, Dr. Florian Brandt & Dr. Elmar Waldschmitt
Innovating Healthcare, Gesundheitsversorgung, Innovationen, Versorgung

Wer mit einem innovativen Geschäftsmodell im Gesundheitsmarkt durchstarten will, kann starke Partner gut gebrauchen. Insbesondere sind Kooperationen mit Krankenkassen oft essentiell. Diese zehnteilige Beitragsreihe gibt nützliche Hinweise rund um die Entwicklung kooperationstauglicher Geschäftsmodelle in der GKV – zielführend, praxisorientiert und aus erster Hand.

Auf Problem folgt Lösung – zumindest immer dann, wenn erfolgversprechende neuartige Geschäftsmodelle entwickelt werden. Im Kontext der Gesundheitsversorgung basieren solche Geschäftsmodelle auf sogenannten „Versorgungslösungen“ bzw. „Versorgungsinnovationen“. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Patientenversorgung weiterentwickeln und im Erfolgsfall zu einer Verbesserung der Effektivität und/oder Effizienz im jeweils adressierten Versorgungsbereich, z. B. in einem bestimmten ambulant-fachärztlichen Setting, beitragen. Im Detail wird hier zwischen Produkt-, Leistungs-, Prozess- sowie Strukturinnovationen unterschieden, die innerhalb einer Versorgungslösung auch kombiniert werden können. Neue Arzneimittel oder Medizinprodukte sind klassische Produktinnovationen. Von einer Prozessinnovation wird beispielsweise im Zusammenhang mit neuartigen telemedizinischen Verfahren gesprochen. Strukturinnovationen verändern den Rahmen der Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren – z. B. durch Etablierung innovativer Vergütungsmodelle.

Wie löst man ein Versorgungsproblem?

In gewisser Hinsicht herrschen für Start-ups und Innovatoren paradiesische Zustände im deutschen Gesundheitswesen, denn: Es existieren diverse Probleme, die gelöst werden müssen und damit interessante Anknüpfungspunkte für Geschäftsmodelle bieten. Digitalisierungsstau, Fachkräftemangel, Arzneimittellieferengpässe oder die mangelnde interdisziplinäre und intersektorale Koordination sind nur einige Beispiele. Doch was ist bei der Entwicklung und Kommunikation einer Versorgungslösung zu beachten, damit diese zu einer nachhaltig tragfähigen Geschäftsgrundlage im GKV-Markt werden kann? Ein sinnvoller erster Schritt ist, sich die Perspektive derjenigen Interessengruppe zu vergegenwärtigen, die im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung steht (oder zumindest stehen sollte): die Patientenperspektive. Hauptanliegen von Patienten wird in aller Regel sein, möglichst „gut“ – das heißt fehler- und komplikationsfrei, auf dem aktuellen medizinisch-technischen Stand und mit bestmöglichem Behandlungsergebnis – versorgt zu werden oder idealerweise gar nicht erst zum „Patienten“ zu werden. Allerdings sind Patienten in einem System mit Krankenversicherungspflicht gleichzeitig immer auch „Versicherte“, die als solche ein Interesse an möglichst geringen Beiträgen haben. Im SGB V, dem zentralen Regelwerk der GKV, spiegeln sich diese beiden Seiten derselben Medaille im Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot wider. Die gute Nachricht: ein gesunder Patient ist grundsätzlich auch ein günstiger Versicherter. Eine Versorgungslösung, die primär die Patientenperspektive adressiert, kann somit oft auch im Hinblick auf die Versichertenperspektive punkten – zumindest mittel- bis langfristig. Ein gutes Beispiel hierfür ist das DISQVER®-Verfahren der Noscendo GmbH zur Präzisionsmedizin in der Infektionsdiagnostik. Durch die softwaregestützte Untersuchung der freien DNA in einer Blutprobe kann das Vorliegen von über 1.500 Keimen in unter 24 Stunden überprüft werden. Das Diagnoseverfahren ist damit oft deutlich schneller und genauer als das reguläre Blutkulturverfahren, was in hochkritischen Versorgungssituationen zu einer erheblichen Risikoreduktion führen kann. Wenn beispielsweise bei einer Sepsis, umgangssprachlich auch als Blutvergiftung bekannt, der ursächliche Keim frühzeitig identifiziert und adäquat behandelt werden kann, reduziert dies das Risiko für typische Folgeschäden wie ein Nierenversagen. Wird ein Nierenversagen tatsächlich vermieden, fallen wiederum auch die hiermit assoziierten Versorgungskosten, z. B. für Dialyse und Nierentransplantation, nicht an. Mittel- bis langfristig ergibt sich also ein Spareffekt. Insofern löst das DISQVER®-Verfahren das patientenrelevante Problem, dass Keime in kritischen Versorgungssituationen oft nicht schnell genug identifiziert werden können, um die Einleitung einer möglichst wirksamen Therapie zu gewährleisten und stillt gleichzeitig das versichertenseitige Wirtschaftlichkeitsbedürfnis. Die wesentlichen Zusammenhänge und Wirkmechanismen einer solchen Versorgungslösung gilt es möglichst plausibel und nachvollziehbar darzustellen – idealerweise bezugnehmend auf einschlägige Studien.

Last, but not least muss sich eine Versorgungslösung natürlich auch in das regulatorische Korsett des Gesundheitsmarkts einfügen können. Betreffend Medizinprodukte muss beispielsweise eine entsprechende Zulassung inklusive europarechtlicher CE-Kennzeichnung erfolgen. Krankenkassen haben allerdings die Möglichkeit, im Rahmen von Sondervereinbarungen – sog. Selektivverträgen – von bestimmten Regularien abzuweichen. So können innovative Technologien für die eigenen Versicherten auch selektivvertraglich zum Einsatz gebracht werden, wenn das SGB V für die jeweilige Versorgungslösung ansonsten keinen geeigneten Marktzugangsweg bereithält. Insofern können Krankenkassen interessante Ansprechpartner beim Inverkehrbringen einer Versorgungslösung sein respektive ein Selektivvertrag eine inte-ressante Market-Access-Option darstellen.


Quelle: „Innovating Healthcare –- Wie Start-ups gemeinsam mit Krankenkassen im Gesundheitsmarkt durchstarten“

 

Ausblick

Natürlich wäre es zu einfach, wenn nur die Patientenperspektive bei der Lösung eines Versorgungsproblems berücksichtigt werden müsste. Vielmehr sind unterschiedliche Akteure mit vielfältigen Interessen und Perspektiven an der Etablierung von Versorgungslösungen beteiligt. Daher gehen wir in der übernächsten Ausgabe auf eine Frage ein, die bis zum berühmten römischen Redner Cicero zurückreicht: Cui bono? Wem nützt es? In der kommenden Ausgabe konkretisieren wir aber zunächst, welche Ziele mithilfe einer Versorgungslösung typischerweise erreicht werden sollen und wie sich die tatsächliche Zielerreichung messen respektive nachweisen lässt. Wir hoffen, dass Euch diese Ausgabe gefallen hat und freuen uns auf Feedback!

 

 

Dr. Florian Brandt (links) und Dr. Elmar Waldschmitt (rechts)

Autoren des Buches „Innovating Healthcare – Wie Start-ups gemeinsam mit Krankenkassen im Gesundheitsmarkt durchstarten“ und Mitinitiatoren des Healthy Hub.

 

Weitere Informationen zum Werk "Innovating Healthcare – Wie Start-ups gemeinsam mit Krankenkassen im Gesundheitsmarkt durchstarten" finden Sie hier.

  

 

Dies ist Beitrag 3 der Beitragsreihe "Innovating Healthcare". Der nächste Beitrag erscheint im medhochzwei Newsletter 18-2024 am 06.11.2024. Jetzt abonieren und keinen Beitrag verpassen! Alle bereits veröffentlichten Beiträge der Reihe finden Sie hier.

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